TREIBGUT

 

Zwischen verschiedenen Ländern und Sprachen,

auf dem unsicheren Wasser der Übersetzung Treibendes,

zufällig in Büchern oder Noten Aufgespürtes -

festgehalten, fallengelassen und später wieder aufgenommen,

in meine eigene Sprache gebracht,

schrittweise verbessert, immer und immer wieder verändert,

bis es mir und anderen gut schien oder wirklich war...

 

Ich habe mich nur ausnahmsweise vom Quellentext entfernt,

wenn auf Deutsch singbare Zeilen zustande kommen sollten.

Ich wollte ganz nahe am Ursprungstext bleiben,

ohne dessen Rhythmus und Reim zu kopieren,

versuchte, Wortfolge, Satzverlauf, Gedankengang

und Stimmigkeit des Quellentextes zu bewahren.

Ich befreite viele ältere Übersetzungen von ihrer Patina,

korrigierte Verzerrungen und Entstellungen auch bei neueren

und hatte oft ein Gefühl wie vor einem restaurierten Gemälde zu stehen.

Viele Lieder lassen sich nur in ihrer eigenen Sprache singen,

aber um sie zu verstehen, brauchen wir eine ihnen entsprechende Übersetzung.

Vieles ist für den Gebrauch bestimmt und oberflächlich oder gleichgültig

gegenüber dem Atem und dem Pulsschlag des ursprünglichen Liedes.

So tauchte dann ein ganz anderer Schwarzer Orpheus

aus der gefälligen Postkartenkitschromantik auf:

zwiespältige Karnevalsfantasien und verträumte Melancholie...

 

Den Anstoß gab nach meiner Erinnerung Alice im Wunderland:

Im Tränenteich beunruhigten mich einige

in der deutschen Übersetzung völlig sinnlose Zeilen...

Der Weg ging vom Englischen mit Shakespeare

bis zu den Echoes von Pink Floyd,

den Liedern der Beatles und Imagine von John Lennon,

zum Französischen mit Préverts Chansons

bis zu Verlaine, de Vigny und Baudelaire,

und Die Blumen des Bösen wurden bei mir Blumen des Leides.

Dann kamen als Souvenir aus Paris Mallarmés Abschweifungen

und der Text zu Debussys Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns,

ich übersetzte auch Rimbauds Trunkenes Schiff und verfiel Titeln

wie Sommernächte, Scheherazade, Lieder der Bilitis…

Der italienische Weg führte von Dante bis zu Agnellis Sestina

und schließlich zu einem bezahlten Übersetzungsauftrag,

einem Handbuch für einen Autopiloten.

 

Meine spanischen Versuche betrafen Borges und Lorca und schließlich

Nerudas Canto general bei Chorproben zu Theodorakis Oratorium.

Für Didi Tonini überarbeitete ich ihre Sammlung von Nerudas Liebesgedichten

und begleitete sie bei ihren Rezitationen.

Durch sie lernte ich weitere Chilenen und andere Lateinamerikaner kennen,

übersetzte auch Tangos, Boleros sowie andere populäre Texte

und begann, meine Übersetzungen von Musikern begleitet zu sprechen.

 

 

Hier eine Auswahl von Fundstücken auf diesem langen Weg.